Alpenland
2022, Österreich
Ein Film von Robert Schabus
88 Minuten
Regie, Buch, Schnitt: Robert Schabus
Regieassistenz: Marie-Therese Vollmer
Kamera: Lukas Gnaiger
Ton: Bertram Knappitsch
Dramaturgie: Wolfgang Widerhofer
Sounddesign und Mischung: Andreas Frei
Grading: Lukas Lerperger
Musik: Lukas Lauermann
Produktionsleitung: Antonia Bernkopf
Herstellungsleitung: Michael Kitzberger
Produzenten: Michael Kitzberger, Wolfgang Widerhofer, Markus Glaser, Nikolaus Geyrhalter
Produktion NGF - Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion GmbH
https://www.alpenland-film.at/de/
Interview zum Film mit Robert Schabus von Karin Schiefer / AFC
Über acht Länder erstreckt sich das mittlerweile bedrohte Territorium der Alpen. Robert Schabus hat mit Menschen in Österreich, Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Italien gesprochen, hat kleine Höfe und noble Wintersportressorts besucht, Schneemaschinen und einen tragischen Sturz in die Tiefe gesehen. Entstanden ist ein Bild unserer Gesellschaft in einem Raum, der durch seine Topografie besonderer Aufmerksamkeit bedarf.
Im schweizerischen Zermatt werden „Leichentücher“ ausgebreitet. Riesige weiße Laken, die sich an jene Berühmtheit schmiegen, für die jährlich unzählige Urlauber*innen in die wohlhabende Gemeinde reisen: das Matterhorn, einer der höchsten Berge der Alpen. Seine Gletscher schmelzen, das ausgebreitete Material soll die Sonne davon abhalten, noch mehr von ihnen zu verschlingen – und die Region womöglich einer großen und lukrativen Attraktion zu berauben. In Robert Schabus’ ALPENLAND verschränken sich Ökonomie und Ökologie häufig miteinander. Über acht Länder erstreckt sich das Hochgebirge, dessen Antlitz sich in den vergangenen Jahrzehnten immer schneller und drastischer verändert hat, was von Kameramann Lukas Gnaiger in imposanten, demaskierenden Aufnahmen eingefangen wird. Im bayerischen Garmisch-Partenkirchen berichtet der ehemalige Förster Axel Doering von den Einschnitten in die Natur und präsentiert eine kleine Fotoserie, die eindrücklich demonstriert, wie tiefgreifend und selbstverständlich die Modellage durch den Menschen geworden ist. Hier, in unmittelbarer Nähe zur Zugspitze, speien auch die Schneemaschinen ihre künstliche Pracht, um das Geschäft mit dem Skisport aufrechtzuerhalten. Man versuche, den Winter zurückzukaufen, sagt Doering und rechnet vor, dass jede dieser Maschinen den Gegenwert einer Sozialwohnung hat. Von letzteren hat man sich in Garmisch-Partenkirchen getrennt. Immobilienmaklerin Nicole Mojr weiß vielleicht einen Grund dafür: Für eine Bleibe mit Blick aufs Bergmassiv können an die zehntausend Euro pro Quadratmeter verlangt werden.
Vom boomenden Geschäft mit dem Betongold spürt Familie Pacher auf ihrem Hof im österreichischen Kärnten nichts. Die Arbeit ist hart und in ihrer alltäglichen Wiederkehr unerbittlich. „Wenn der Hof existieren will, muss die Arbeit einfach gemacht werden“, sagt Maria Pacher. Und diese Arbeit ist riskant. Gleich eine der ersten Szenen von ALPENLAND demonstriert, dass das Leben in den Bergen gefährlich sein kann: Als Vater und Tochter eine Kuhherde über die schmalen Pfade eines Hangs führen, rutscht ein Tier ab und stürzt in die Tiefe. Ein Bild mit Symbolcharakter, das auch noch nachwirkt, als man bereits in Premana in der Lombardei angelangt ist, wo Schabus die Geschichte eng vernetzter kleiner Manufakturen erzählt. Oder im französischen Méribel, wo einem Arzt die Patient*innen ausgehen, da sich aufgrund der steigenden Temperaturen im Gebiet die Wintersportsaison auf wenige Monate reduziert hat. So unterschiedlich die Personen in ALPENLAND sind, so ähnlich äußern sie sich im Hinblick auf die ungewisse Zukunft. Julia Auernig, die schon bald die Land- und Almwirtschaft von Vater Josef übernehmen soll, versucht sich immerhin in einem zaghaften, doch ebenso ratlosen Optimismus: „Das kriegen wir schon irgendwie hin. Irgendwie wird’s gehen.“
Text von Carolin Weidner, Diagonale 2022